Mittwoch, 19. November 2008

Huancavelica (Höhe 3676 m)

Huancavelica ist ein beschauliches Städtchen mitten in den Anden und liegt in einer der ärmsten Regionen Perus. Die Lage erinnert an ein schweizerisches Bergdörfchen - nur das hier kein Schnee liegt. Als einziger Tourist war ich an der Busstation etwas verloren, bis ein peruanischer Polizist zu mir kam und mir mit den Worten, ich sei in Huancavelica herzlich willkommen, die Hand herzlich schüttelte. Er empfahl mir das beste Hotel am Ort, und begleitete mich nicht nur zum Hauptplatz, sondern bestand energisch darauf, meinen 19-Kilo Rucksack zu tragen. Von der Tatsache einmal abgesehen, dass ich aus Höflichkeit nicht verneinen wollte, war ich auch ganz erleichtert. Auch ohne Rucksack hatte ich erhebliche Schwierigkeiten, ihm zu folgen, so sehr musste ich aufgrund der Höhe nach Luft japsen. Das "Hotel" war zweifelsfrei das Beste im Ort, und verblüffte für umgerechnet EUR 7 mit gutem Komfort. Das Dorf liegt so ausgesprochen verloren, dass meine geplante Weiterreise nach Ayacucho nicht ganz so einfach war. Zunächst gibt es keine direkte Verbindung, ich musste in Rumichaca auf einen Bus warten und umsteigen. Das war allerdings noch längst nicht so bitter, als das der Bus um 04:30 h losfuhr. Wohlgemerkt: morgens! Ich hatte keine Wahl, und so saß ich in aller Frühe in diesem Bus, der das gefühlte Baujahr 1950 hatte. Schade, dass das Fenster nicht richtig schloss, ich hätte die Landschaft sicher noch mehr genießen können. Es war so bitterkalt, dass ich 2 Stunden bis zum Sonnenaufgang mit den Zähnen geklappert hatte. Typisch für die Anden ist, dass es bei Sonnenschein dann mit etwa 25 Grad richtig warm wird. Im Verlauf der Busreise ging es über Sepentinenstrassen und Pässen auf 4800 m Höhe ziemlich gemächlich zu, schließlich fahren die Busse im Durchschnitt auf den nicht asphaltierten Strassen kaum mehr als 25 km pro Stunde. Motorpannen und platte Reifen sind noch nicht mit eingerechnet.
Als Mittel zur Höhenkranheit wird gemeinhin ein Coca-Tee oder das Kauen der Cocablätter empfohlen. Während der Tee noch einigermaßen bekömmlich ist, ist das Kauen der Blätter (als Base zur Absorption der Wirkstoffe wird Asche verwendet) ziemlich widerlich. Mit Kokain hat weder das eine, noch das andere zu tun; Kokain entsteht durch einem aufwändigen und chemischen Prozess, indem aus den Coca-Blättern das Alkoloid Kokain gewonnen wird. Das gilt allerdings eher als Exportprodukt vor allem für die USA - Einheimische kennen Kokain in kristalliner Form nicht.
Im Einheimischen-Bus, den ich in Rumichaca weiter nach Ayacucho erwischte, wurde ich Zeuge einer aberwitzigen Situation - die PETA wäre Amok gelaufen. Eine Greisin musste - aus welchen Gründen auch immer - ihre 3 Schafe transportieren. Zu diesem Zweck waren die armen Viecher an allen Extremitäten mit einem Seil verbunden und wurden mit einem Schwung auf das Dach gehievt - auf dem übrigens auch mein Rucksack verstaut war. Eines der Schafe hat sich offensichtlich im Verlauf der Weiterreise nicht besonders wohl gefühlt. In jeder Linkskurve lief an meinem Fenster (diesmal schloss es zum Glück richtig) ständig die Schafscheisse herunter. Offenkundig war ich im Bus allerdings der einzige, der dieser Tatsache gesonderte Beachtung schenkte. Und nein, das habe ich nicht fotografiert. Meine "landwirtschaftlich-geprägten" Sitznachbarn waren übrigens kaum appetitlicher. Ich muss das an dieser Stelle deshalb erwähnen, weil mir folgende Situation in Peru und Bolivien häufiger begegnet ist - es ist kein Einzelfall. Mit einer unglaublichen Hingabe popeln die Peruaner in der Nase und begutachten das Ergebnis ihrer positiven Funde mit einer präzisen Hingabe. Ständig. Und damit nicht genug, mein Sitznachbar versuchte vergeblich, sich dieser Körperausscheidung an seinem Vordersitz zu entledigen. Das gelang ihm erst im dritten Anlauf, da sich das Sekret als äußerst widerspenstig erwies. Freundlicherweise bot ich ihm nach dieser Aktion - wenn auch deutlich verspätet - ein Taschentuch an, das er nur zögerlich annahm und dann unmittelbar in seine Tasche steckte. Ganz offensichtlich wusste er damit nichts anzufangen. Wer diese Strecke nochmals fahren sollte - bitte Platz 8B in Lalo's dringend vermeiden...
Im Grunde hatte ich die begründete Befürchtung, mein Rucksack auf dem Busdach sei kontaminiert; das inkontinente Schaf hat mich während dieser Reise mental begleitet, so dass ich mich auf der eigentlich landschaftlich sehr reizvollen Strecke nur bedingt konzentrieren konnte. In Ayacucho angekommen war ich dann auch sehr erleichtert, dass das Schaf meinen Rucksack freundlicherweise verschont hatte. Manch anderer Passagier mit auf dem Busdach abgelegten Lebensmitteln (!) hatte etwas weniger Glück als ich.

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